Lokale Informationen vom 06.06.2007 » Zurück


"Kein Biotop für Spitzgiebel-Dächer"
Waldsiedler sind entschieden gegen eine Erhaltungssatzung



Klick ... zum Vergößern. Klick ... zum Vergößern. Klick ... zum Vergößern.
Klick ... zum Vergrößern.

Leverkusen (BW) - Das Thema Erhaltungssatzung erhitzt seit Wochen die Gemüter in der Waldsiedlung. Dementsprechend groß war der Andrang bei der Informationsveranstaltung in der Waldschule, zu der Vertreter der Stadtplanung und der Bauaufsicht ursprünglich in die Aula eingeladen hatten. Um mehr Menschen einen Sitzplatz bieten zu können, war kurzfristig die Sporthalle bestuhlt worden, im Gegenzug musste auf eine Mikrofonanlage verzichtet werden.

In der bis auf den letzten Sitzplatz gefüllten Halle begrüßte Bezirksvorsteher Raimund Gietzen die Teilnehmer, zu Beginn versuchte Lena Zlonicky, stellvertretende Leiterin des Fachbereichs Stadtplanung, zunächst auf die Fakten einzugehen, wurde jedoch immer wieder von Zwischenrufen unterbrochen.

Schnell kristallisierte sich heraus, dass die Interessen der Stadtplaner mit denen der "Waldsiedler" in einem Punkt kollidieren: Während die Verwaltung den "Charakter der Siedlung" schützen will, legen die Bewohner selbst darauf keinen größeren Wert, jedenfalls nicht, wenn dadurch zusätzliche Auflagen nötig werden.

Da es in der Waldsiedlung seit 1994 aufgrund der Altlastenfrage und der damit verbundenen Grundwasserproblematik keinen verbindlichen Bebauungsplan gibt, entscheidet die Bauverwaltung bei Bauanträgen auf der Grundlage des Paragraphen 34 des Baugesetzbuches und der so genannten Gestaltungssatzung. In der Praxis widersprechen sich diese beiden Vorschriften aber, so Zlonicky: Während der Paragraph 34 beispielsweise verschiedene Dachtypen erlaubt, kann die Gestaltungssatzung die Auswahl beschränken. Damit liegt die Entscheidung bei der Stadt, die derzeit so verfährt, dass An- oder Neubauten zum Stil der benachbarten Häuser passen sollten. Stehen links und rechts bereits Häuser mit einem breiteren Giebel, hat der Neubau in der Mitte demnach gute Chancen ebenfalls einen solchen genehmigt zu bekommen. Die Folge: Die Häuser in der Waldsiedlung werden immer größer, die typische Dachform verschwindet und damit das typische Erscheinungsbild der in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts gebauten Siedlung.

Zum Charme der Siedlung gehört auch deren "grüne Lunge", die jedoch seit Abschaffung der Baumschutzsatzung bedroht ist: Immer mehr Bäume werden gefällt. Das sieht die Stadtverwaltung nicht gern, hat aber, so Zlonicky, keine Handhabe dagegen vorzugehen, außer mit einer Erhaltungssatzung. Darin könnte beispielsweise festgeschrieben werden, dass Vorgärten nicht versiegelt und als Autostellplätze genutzt werden dürfen.

Doch nicht nur die Änderung von Vorgärten wäre nach der Erhaltungssatzung genehmigungspflichtig, das beträfe jede "bauliche Anlage". Und als bauliche Anlage zählt laut Gesetz schon eine Mülltone, eine Schaukel oder auch ein Briefkasten. Die Sorgen der Bewohner, sie müssten nun beim Kauf eines neuen Briefkastens einen Antrag stellen, konnte Lena Zlonicky nicht ganz ausräumen, zudem sie angesichts der städtischen Finanznot nicht garantieren kann, dass diese Genehmigungen kostenfrei bleiben.



• Bis auf den letzten Stuhl gefüllt war die Sporthalle der Waldschule. Die Bewohner der Waldsiedlung waren gekommen, um sich über die geplante Erhaltungssatzung zu informieren - und ihren Unmut darüber Luft zu machen. Foto: B. Willumat
Fragen, wie die Stadtverwaltung die Einhaltung einer Erhaltungssatzung überhaupt kontrollieren oder die Flut der Anträge aus der Waldsiedlung bearbeiten wolle, blieben unbeantwortet. Zwischenzeitlich kochte die Stimmung in der Sporthalle hoch, zahlreiche Bürger warfen Stadtverwaltung und Politik vor, sie habe die Erhaltungssatzung über die Köpfe der Bewohner hinweg schnell durchsetzen wollen. Heftige Schelte gab es für die Grünen, die mit ihrem Antrag, den Charakter der Siedlung erhalten zu wollen, alles ins Rollen gebracht hatten. Die Bewohner fühlen sich falsch informiert, es sei die Angst vor viergeschossigen Häusern in der Siedlung geschürt worden, so eine Hausbesitzerin, nur deshalb hätte sie ihre Unterschrift für eine Erhaltungssatzung gegeben. Da gingen die Rechtfertigungsversuche der anwesenden Grünen-Politikerin Brigitte von Bonin (selbst wohnhaft in der Waldsiedlung) eher nach hinten los. "Damals wusste ich ja gar nicht, was eine Erhaltungssatzung ist", verteidigte sie ihr Werben für die Unterschriftenliste - dafür gab es Spott und Gelächter im Saal. Andere Bewohner fühlen sich "an den Pranger gestellt", sie fanden ihre Häuser in der Fotodokumentation für die Ratsvorlage unter dem Stichwort "abweichende Gestaltungsformen" als Argument für die Notwendigkeit einer Erhaltungssatzung mit Straßenname und Hausnummer wieder.

Eine Erhaltungssatzung würde einen dramatischen Wertverlust der Immobilien von bis zu 30 Prozent bedeuten, machte ein weiterer Bewohner seinen Unmut Luft und fragte, ob die Stadt dafür denn Schadensersatz zahlen würde. Großen Beifall erhielt Künstler Lutz Diese, der sich klar gegen eine Erhaltungssatzung aussprach. Stattdessen solle die Stadt wie bisher Bauanfragen auf Grundlage des Paragraphen 34 und der Gestaltungssatzung prüfen. Die Siedlung sei zwar schön, aber doch nicht so schön, dass sie unbedingt erhalten werden müsse, meldete sich Bewohner Peter Schwimmbeck zu Wort. Ihm gefalle an der Siedlung besonders deren Vielfalt, "muss denn jedes Haus aussehen wie das andere?"

Auch Hausbesitzer Manfred Hüttemann sprach sich gegen ein "Biotop für spitzgiebelige Dächer" aus, die Entscheidung über die "ästhetische Kompabiliät mit dem Bestand" gehöre nicht in die Hände der Verwaltung, sondern in die der Bewohner und deren Architekten.

Bei der spontanen Abstimmung am Ende der Veranstaltung votierten die anwesenden Waldsiedler einstimmig gegen die Erhaltungssatzung. Ein Votum, das Bezirksvorsteher Raimund Gietzen an seine Ratskollegen weitergeben wird, die dann endgültig über die Erhaltungssatzung entscheiden müssen.


Quelle: Lokale Informationen, Sonderausgabe 06.06.2007, Schlebuscher Sommer '07