Kölner Stadt-Anzeiger/ Leverkusener Anzeiger vom 03.02.2004 » Zurück


"Alle schauen auf den Weltmarkt"

Student aus Leverkusen untersucht
Erfolg der finnischen Partnerstadt Oulu


Von Thomas Käding

Leverkusens finnische Partnerstadt boomt.
Der Student Peter Brach untersucht die Gründe.



Peter Brach, Leverkusener Student der Volkswirt-
schaftslehre, hat das Wirtschaftswunder in der finnischen Partnerstadt Oulu zum Thema seiner Diplomarbeit gemacht.              BILD: RALF KRIEGER
Die Bezeichnung ist so schmeichelhaft wie spektakulär: "Silicon Valley des Nordens" nannte mehr als eine Zeitung die Küstenregion im Norden Finnlands, deren Mittelpunkt Oulu ist. Jüngere Statistiken untermauern dieses Urteil: Die Region verzeichnet ein stetiges Bevölkerungswachstum, die Einwohner sind jünger als der finnische Durchschnitt, die Zahl der Arbeitsplätze in den Zukunftsbranchen wächst, ebenso die Universität und ein Forschungszentrum.

Peter Brach wollte dieses Wunder nicht länger bestaunen, sondern verstehen. Der Lever-
kusener studiert in Köln Volkswirtschaftslehre und hat Oulu zum Thema seiner Diplomarbeit gemacht. Drei Wochen hat er sich in der Partnerstadt umgeschaut, 80 Unternehmer und einige Wirtschaftsförderer befragt, die Arbeitsweise der Universität und des technischen Forschungszentrums VTT betrachtet und so versucht, dem Phänomen auf den Grund zu kommen. Als äußerst nützlich erwies sich für Brach, dass sein Gastgeber Aulis Kronqvist nicht nur Finanzchef der Biotech-Firma Pharmatory Oy ist, sondern im Zuge seiner Ausbildung ein halbes Jahr in Leverkusen gearbeitet hat. Kronqvist öffnete dem Studenten viele Türen und ermöglichte ihm auch einen Einblick, wie ein finnisches Unternehmen vorgeht, das in der Hoffnungsbranche Biotechnologie unterwegs ist.

Frappierend fand Brach nicht nur hier die Internationalität. "Die Firmen schauen alle auf den Weltmarkt, weil der finnische Markt natürlich sehr klein ist." Deshalb stehe die Zusammenarbeit über Ländergrenzen oft im Vordergrund, was wiederum den allgegenwärtigen Netzwerk-Gedanken erkläre. "Die Finnen sagen bei jedem: Meld' Dich nochmal. Deine Erkenntnisse können für uns nützlich sein."

Als symptomatisch hat er etwa empfunden, dass an der Universität in Oulu zwei deutsche Professoren lehren - und beide kein Finnisch sprechen. Das sei auch nicht nötig, im Umgang mit Ausländern sei Englisch ganz selbstverständlich die Verkehrssprache.

Typisch für den Netzwerk-Gedanken sei auch das Vorgehen von Nokia. Der vormalige Mischkonzern, der sich zur Nummer 1 in der boomenden Mobilfunkbranche entwickelt hat, unterhalte eine Vielzahl von Verbindungen zu kleineren Unternehmen in der Region Oulu, die jeweils nur im Rahmen von Projekten mit Nokia zusammenarbeiten. Auch deshalb hat die Firma an ihrem Stammsitz nicht mehr als 4500 Mitarbeiter. Dennoch sei Nokia für Oulu von entscheidender Bedeutung, weil die Wandlung der Firma wegweisend war für den Strukturwandel in der Region, sagt Brach. Früher gab es viel klassische skandinavische Industrie: Holz, Papier und so weiter. Anfang der 90er Jahre kam dann die Rezession, die Arbeitslosenquote stieg binnen weniger Jahre von vier auf 20 Prozent. "Dann wurde die Idee geboren, mehr Bildungsangebote zu machen und Oulu zum Zentrum der Hochtechnologie zu machen", beschreibt Brach die Ausgangssituation. Die beiden eng vernetzten Wirtschaftsförderungsgesellschaften für Oulu und seine Region hätten tatsächlich recht schnell Erfolg gehabt. Heute stehen rund 80 000 Arbeitsplätzen in der "Old Economy" immerhin rund 12 000 Jobs im High-Tech-Bereich gegenüber, die Universität ist die zweitgrößte in Finnland, Akademiker finden fast immer sofort einen Job, die Arbeitslosenquote ist auf gut 10 Prozent gesunken.

Bei der Verwirklichung dieses Masterplans, der auch vom Staat gefördert wurde, hätten offenbar zwei Dinge geholfen: um die 140 Millionen Euro an Förderung durch die Europäische Union - und die Tatsache, dass der Ballungsraum Oulu gerade weit genug von Helsinki entfernt liegt. Dort spielt sich ansonsten in Finnland alles ab.

Gerade diese Situation habe auch dazu geführt, dass Oulu und seine Region eine große Anziehungskraft auf die prinzipiell landflüchtige finnische Bevölkerung ausübe. Die Einwohnerzahl hat sich seit 1970 auf nunmehr 120 000 verdoppelt, in der Großregion leben inzwischen 900 000 Menschen. Gleichzeitig liegt das Durchschnittsalter sehr niedrig, und rund 60 Prozent der Studenten, die an der technisch ausgerichteten Uni einen Abschluss machen, bleiben. Trotzdem ist dort oben noch viel Platz, was die Verwirklichung größerer Bauplanungen sehr vereinfacht: Das Stadtgebiet von Oulu ist etwa so groß wie Köln.

Bei allem, was Peter Brach in Oulu herausgefunden hat, ist ihm doch eines klar geworden: Die finnische Partnerstadt taugt nicht als Modell für Leverkusen: "Die haben ihren Weg gefunden. Kopieren kann man den nicht."


Siehe dazu auch:

20./21.11.2003: Business Development between Leverkusen - Oulu. Leverkusen Road Show in Oulu/ Finnland

Bericht: Business and Co-operation Leverkusen-Oulu 20./21.11.2003 in Oulu