Kölner Stadt-Anzeiger/ Leverkusener Anzeiger vom 06.12.2007 » Zurück

Leverkusen

JUNGE ZEITEN

Meinungen zur 3. Gesamtschule

Seit geraumer Zeit streiten sich die regionalen Parteien darüber, ob in Leverkusen eine neue Gesamtschule eröffnet werden soll. Grund der Debatte ist die Entscheidung für eine dritte Gesamtschule des Stadtrats vom 22. Oktober 2007. CDU und FDP sind dagegen, die SPD und andere dafür.

Gerüchten zufolge soll eins der bestehenden Gymnasien zugunsten der neuen Gesamtschule geschlossen werden. In Frage kämen demnach die Werner-Heisenberg- Schule oder das Landrat-Lucas-Gymnasium. Diese Gerüchte entspringen allerdings der CDU, die – wie schon erwähnt – gegen eine dritte Gesamtschule ist.

Ist eine Neueröffnung denn überhaupt notwendig? Leverkusen verfügt bereits über zwei Gesamtschulen. Die Käthe-Kollwitz-Schule in Rheindorf und die Gesamtschule Schlebusch. Eine Elternbefragung soll Klarheit über den Bedarf bringen. Wenn diesen aber aufgrund der Leistungen ihrer Kinder nur die Entscheidung zwischen Gesamt- oder Hauptschule bleibt, ist es wohl abzusehen, für welche Schulform sich die Eltern entscheiden werden. Der schlechte Ruf verfolgt die Hauptschule wahrscheinlich noch bis zu deren Abschaffung.

Es wäre also nach der allgemeinen Meinung – und der der SPD – sinniger, eine Hauptschule zu schließen. Aber entgegen dieser Schlussfolgerung ist vom Stadtrat beschlossen worden, dass die Theodor-Wuppermann-Hauptschule gar zur Ganztagsschule transformiert werden soll. Also keine ganztägige Gesamtschule wie die SPD sie gerne hätte, sondern eine ganztägige Hauptschule. Das Konzept einer Gesamtschule ist es nicht, gleich zu selektieren und Schüler aller Lernklassen zeitweilig zusammen zu unterrichten.

Außerdem wird der Gesamtschule nachgesagt, sie sei praktischer ausgelegt als Gymnasien. Schüler werden also besser auf die Berufswelt vorbereitet. Auf ihrer Internetpräsenz vertritt die FDP allerdings die Meinung, eine Gesamtschule sei nicht fähig, individuell genug zu fördern. Das leistungsschwache Kind komme nicht mit und der Überflieger bleibe unterfordert. Die Hauptschule leidet unter dem Ruf, dass Schüler nach dem Abschluss so gut wie keine Jobaussichten haben. Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine neue Gesamtschule in Leverkusen nicht schaden kann, solange keine Gelder für die schon bestehenden Schulen verloren gehen.

Dass die neue Gesamtschule eine Konkurrenz für die Hauptschulen wird, steht allerdings wohl außer Frage.
ANNE SCHNADT
Die Diskussion über die dritte Gesamtschule ist in vollem Gange – SPD, CDU, Grüne, FDP und Pro Op streiten heftigst über dieses Thema. Die dritte Gesamtschule soll kommen, endgültig ist aber noch nichts. Ich persönlich bin der Meinung, dass eine dritte Gesamtschule nicht notwendig ist. Mit den Schulen, die momentan hier in Leverkusen existieren, fahren wir doch relativ gut.

Ich sehe absolut keine Veranlassung, eine neue Gesamtschule zu eröffnen. Man muss auch einmal realistisch denken – woher sollte man diese dritte Gesamtschule hernehmen? Neu bauen? Dazu hat die Stadt Leverkusen wohl kaum Geld. Eine andere Schule dafür schließen? Vollkommener Schwachsinn! Renommierte Gymnasien wie das Landrat-Lucas oder das Werner-Heisenberg zu eliminieren würde den Schülern schaden, denn sie müssten wiederum in andere Gymnasien eingegliedert werden – und dann entstünde dasselbe Problem auf gymnasialer Ebene.

Auch die Schließung einer Hauptschule würde das Problem nicht lösen – wohin sollten denn dann die Hauptschüler? Sie bedürfen wohl mehr Kontrolle als die Gesamtschüler. Das bestehende Schulsystem hat sich doch bis jetzt immer bewährt. Warum soll denn jetzt auf einmal alles über den Haufen geworfen werden? Hängt dieser Vorschlag vielleicht mit dem Zentralabitur zusammen? Nur weil auch den Gesamtschülern das Recht zum Abitur freisteht? Wir könnten genauso gut sagen, wir brauchen eine neue Realschule ...

Wie wäre es erst einmal mit einer nicht so voreiligen Entscheidung und rationalem Überdenken der aktuellen Sachlage? Dauernd klagt die Stadt, sie habe kein Geld, wie wäre es denn damit, in wirklich wichtige Sachen zu investieren? Das bestehende Schulsystem hat sich bewährt, aber einige Schulen sind in miserablen Zustand. Hierhin könnten Gelder fließen sowie in schulische Institutionen und für Sozialpädagogen, die den Schülern bei Problemen zur Seite stehen. Denn teilweise können die Lehrer solchen Aspekten des Schullebens nicht so viel Aufmerksamkeit schenken, und die Kinder haben bei fehlendem Familienleben keinen Ansprechpartner. Und das ist doch schließlich auch das, was Schule ausmacht – Weiterentwicklung in dieser schnelllebigen Zeit.
LAURA LA MARCA
Eine dritte Gesamtschule für Leverkusen. Nach den bestehenden in Schlebusch und Rheindorf soll jetzt also eine weitere „Einheitsschule“ folgen. Auf den ersten Blick eine gute Idee, denn die Vorteile einer Gesamtschule sind klar. Schüler, die beispielsweise nach der Grundschule nur eine Empfehlung für die Realschule hatten, bekommen auf der Gesamtschule bis zur zehnten Klasse die Chance, durch weitgehend individuelle Förderung in unterschiedlichen Kursen ihren Bildungsstand auf ein höheres Niveau zu bringen, so dass sie ihre Schulkarriere mit dem Abitur in der Tasche beenden können. Allein diese Tatsache dürfte meiner Meinung nach Grund genug sein, eine dritte Gesamtschule in Leverkusen einzuführen. Eines der Hauptprobleme bei diesem Vorhaben ist jedoch, dass zu diesem Zweck eine Hauptschule geschlossen und als Gesamtschule ihren Betrieb wieder neu aufnehmen müsste. Leverkusens Finanzdezernent Rainer Häusler, der der SPD angehört und somit ein Befürworter in Sachen dritter Gesamtschule sein müsste, brachte es auf den Punkt: „Leverkusen hat kein Geld für eine weitere Schule“. Folglich werden verbesserte Bildungsmöglichkeiten wohl wieder einmal dem finanziellen Loch in der Leverkusener Haushaltskasse zum Opfer fallen.
ALEXANDER FRANZ
Ich halte die Errichtung einer Gesamtschule tendenziell für eine gute Idee, da ich auch das Konzept einer Gesamtschule für gut befinde. Ich gehe selbst auf ein Gymnasium, besuchte aber während meines Auslandsaufenthaltes in Quebec auch eine Gesamtschule. Ich war beeindruckt von den umfangreichen Wahlmöglichkeiten, den verschiedenen Aktivitäten in der Mittagspause, der guten und vertrauten Atmosphäre unter Schülern und Lehrern und den vielen verschiedenen Fächern, die man in verschiedenen Schwierigkeitsgraden wählen konnte.

Ähnlich ist das Konzept auch an deutschen Gesamtschulen. So gibt es an der Gesamtschule in Rheindorf beispielsweise ab Klasse 7 in Englisch und Mathematik, später auch in anderen Fächern, Grundkurse und Erweiterungskurse, zudem gibt es Förderprogramme für Schüler mit Schwierigkeiten oder Migrations- Hintergrund, für die in Stufe 5/6 zusätzliche Lehrkräfte engagiert sind. Zudem wird man auf die diversen möglichen Schulabschlüsse, angefangen vom Hauptschulabschluss bis zum Abitur oder der Fachhochschulreife, gezielt vorbereitet.

Auch auf Grund internationaler Konkurrenz wird das dreigeteilte Schulsystem wohl immer weiter aus Deutschland verschwinden, obwohl es natürlich auch seine Vorteile hat. Die Idee, zum jetzigen Zeitpunkt eine neue Gesamtschule eröffnen zu wollen, ist jedoch unpassend und überhastet. Zum einen ist es ein Skandal, überhaupt das Gerücht zu verbreiten, solch etablierte Schulen mit hochwertigen Programmen und überregionaler Reputation wie das Landrat-Lucas-Gymnasium oder das Werner-Heisenberg-Gymnasium schließen zu müssen. Auf der anderen Seite vergessen die Parteien, welche die dritte Gesamtschule befürworten, aber wohl auch, dass nicht nur Gesamtschulen, sondern auch Gymnasien überfüllt sind und der Nachfrage nicht mehr gerecht werden können.

Das Werner-Heisenberg-Gymnasium ist theoretisch mit mehreren hundert Schülern überbelegt und es gibt keine entsprechende Mensa oder große Aufenthaltsräume und Cafeterias, die sich der Schülerzahl anpassen. Die Parteien sollten hier lieber den Hebel ansetzen und etablierte Schulen ausbauen. Auf die Idee, dass die Neucronenberger Hauptschule wegen der geringsten Schülerzahlen geschlossen wird, hätte man auch kommen können, bevor man die Schule vor nicht einmal zehn Jahren für damals rund fünf Millionen Mark komplett neu saniert hat.

Nun müsste der ohnehin schon stark belastete Etat der Stadt Leverkusen wieder komplett ausgereizt werden, um einen Neu- oder Umbau zu finanzieren. Die durch diverse Masterpläne versprochene finanzielle Unterstützung anderer Schulen würde daher wohl wieder ins Wasser fallen. Die Pläne bezüglich einer dritten Gesamtschule sollte man in einigen Jahren eventuell wieder aufgreifen, wenn sich der Trend bestätigt. Es wird nämlich immer nur erwähnt, dass die Schulwahlentscheidung bezüglich der Gesamtschule zum letzten Schuljahr hin 129 mal abgelehnt wurde. Jedoch ist diese Zahl nicht unbedingt für die gesamte Entwicklung der Nachfragen der vergangenen Jahre repräsentativ.

Nicht zuletzt kommt zu der Entscheidung auch noch das politische Problem hinzu, da durch die Meinungsverschiedenheiten zwischen CDU und SPD die Große Koalition enorm gefährdet ist und dies für Konfliktstoff sorgen könnte.
SEBASTIAN KLUTH
Schon immer hatten die zwei Gesamtschulen, Käthe-Kollwitz-Schule und Gesamtschule-Schlebusch, mehr Anmeldungen als sie Platz hatten. Die Folge daraus ist, dass die Eltern ihre Kinder dann auf die schon lange nicht mehr mit ihrem Ruf glänzende Hauptschule schicken. Um eine Lösung für dieses Problem zu finden, steht nun schon seit mehreren Monaten die Einführung einer dritten Gesamtschule zur Debatte.

Mittlerweile wurde im Stadtrat beschlossen, dass eine dritte Gesamtschule eingerichtet werden soll. Trotz des Beschlusses dauern die Diskussionen immer noch an, denn nicht alle Parteien sind wie die SPD große Befürworter der Veränderung. So sind CDU und FDP entschieden dagegen. Außer Frage steht, dass das Konzept der Gesamtschulen ein sehr effektives und gutes Programm ist, das den Schülern ermöglicht, einen guten Abschluss zu absolvieren und sich den dafür benötigten Lernstoff mit vielen qualitativen Lernmethoden an der Ganztagsschule anzueignen. Da sich dieses Konzept bereits so bewährt hat, kann man verstehen, dass dieses Schulsystem so beliebt ist, und die Einrichtung einer dritten Gesamtschule wäre natürlich auch von Vorteil. Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, wie dies gehandhabt werden soll. Man kann ja schließlich nicht einfach eine Schule schließen. Von daher finde ich, dass die Umsetzung noch sehr viele Fragzeichen mit sich bringt, da noch nicht einmal sicher ist, welche Schule dann möglicherweise geschlossen werden soll.

Als Favorit gilt momentan die Hauptschule Neucronenberg. Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass dieser Plan wirklich in die Tat umgesetzt werden kann oder wird. Aber fest steht, dass der Stadtrat mit Mehrheit dafür gestimmt hat.
CAROLIN HINTZ
Derzeit wird bei SPD und Co. über die Planung einer dritten Gesamtschule in Leverkusen diskutiert. Meiner Meinung nach könnte dies eine gute und vielleicht auch effektive Möglichkeit sein, die Anzahl der weniger guten Schüler zu reduzieren. Viele Schüler wechseln nach der vierten Klasse auf eine Hauptschule aus dem einfachen Grund, dass es auf der Gesamtschule keine freien Plätze mehr gibt, wie es zum Beispiel im vergangenen Jahr war, als 129 Schüler nicht aufgenommen werden konnten. Das heißt doch, dass Schüler, die eigentlich fähig sind höhere Leistungen zu erzielen, „nur“ auf eine Hauptschule gehen, wo sie im Gegensatz zu Gesamtschulen natürlich weniger gute Möglichkeiten für einen ordentlichen Schulabschluss haben. Auf einer Gesamtschule gibt es mehrere Alternativen, einen Bildungsgang zu wählen: den Haupt- oder Realschulabschluss sowie das Abitur und Fachabitur. Würde es also demnächst eine weitere Gesamtschule in Leverkusen geben, könnte jeder für sich mehr mitbestimmen, wie seine Zukunft aussieht und welchen Bildungsweg man einschlägt.
JANINA STRANZ
Ich stehe der Einrichtung einer dritten Gesamtschule in Leverkusen positiv gegenüber. Die beiden vorhandenen Gesamtschulen sind, wie den meisten bekannt, hoffnungslos überlaufen. Bereits im vorigen Jahr mussten rund 130 Schüler und Schülerinnen abgewiesen werden, da die Schulen nicht genug Platz bieten. Mit der dritten Gesamtschule würde dieses Problem gelöst werden. Es hätten mehr Schüler die Chance auf einen guten Abschluss, als es mit nur zwei Gesamtschulen der Fall ist. Die neue Schule würde ebenfalls individuellere Möglichkeiten zur Förderung aller Schüler, insbesondere der schwächeren, bieten. Ebenfalls spricht das Konzept der Gesamtschule besonders die Schüler mit Hauptschulempfehlung an, da die Hauptschulen mittlerweile einen so schlechten Ruf haben, dass viele lieber die Gesamtschule besuchen wollen. Darum kann man diese Schulform nur als überholt betrachten.

Letztendlich ist die dritte Gesamtschule ein begrüßenswertes Projekt, von dem mit Sicherheit sehr viele Schüler profitieren werden.
ANNA-MARIA SONNENBERG
Brauchen wir die dritte Gesamtschule in Leverkusen? Die Debatte um diese Frage wird wohl bis zum Schluss kontrovers bleiben. Dennoch bleibt ein Fakt: Mehr als hundert Schüler erhielten dieses Jahr keinen Platz an der Gesamtschule. Mir stellt sich hier eher die Frage nach dem Grund dieses erhöhten Bedarfs an Gesamtschulplätzen. In Zeiten, in denen die Anzahl der Geburten pro Jahr eher sinkt, bleibt zu bezweifeln, ob es wirklich an einer höheren Schüleranzahl liegt, oder nicht vielleicht doch daran, dass man die Gesamtschule der Hauptschule vorzieht. Das sowieso schon etwas angeschlagene Image der Hauptschule kränkelt umso mehr, seit die Vorfälle an der Berliner Rütli-Schule Schlagzeilen machten. Dieses Image zu verbessern, sollte die Kernaufgabe unserer Bildungspolitiker sein. Die Politik spricht immer davon, dass Kinder unsere Zukunft sind. Aber unsere Zukunft besteht nicht nur aus Abiturienten. So sollten diejenigen, die vielleicht schlechtere Startbedingungen haben als andere, ebenso gefördert werden.

Sämtliche Schulen klagen über Lehrermangel. Warum also die nächste Schule mit demselben Problem eröffnen, anstatt die vorgesehenen Gelder in die bestehenden Schulen zu stecken? Letztendlich scheint es, als wäre ein Hauptschulabschluss heute nicht nur eine Hürde, sondern ein unüberwindbares Hindernis, wenn es um den beruflichen Einstieg geht. So lange sich an diesem Zustand nichts ändert, werden Eltern weiterhin versuchen ihre Kinder an der Gesamtschule unterzubringen, anstatt sie auf die Hauptschule zu schicken. Und wer kann ihnen das schon verdenken?
STEFFI BREITBART


Quelle: Leverkusener Anzeiger

06.12.2007: Junge Zeiten [pdf]