Kommunale Außenpolitik als Tagesgeschäft
Warum Städte Außenpolitik machen [pdf]
Von Peter Korn
Düsseldorf (RP/rpo). Immer mehr Kommunalpolitiker knüpfen Auslandskontakte und reisen weltweit umher, um ihre Stadt wirtschaftlich voranzubringen. Auch für den Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin gehört kommunale Außenpolitik zum Tagesgeschäft.
Der "ganz normale" Arbeitstag von Joachim Erwin (CDU) beginnt mal wieder in aller Herrgottsfrühe am Rhein-Ruhr-Flughafen. Es ist 7.30 Uhr, als der Düsseldorfer Oberbürgermeister an Bord einer Maschine in Richtung Wien startet. Gleich nach der Ankunft fährt er mit dem Auto weiter nach Brünn, Düsseldorfs tschechischer Partnerstadt. Es geht um kulturellen Austausch, vor allem aber ums Messe-Geschäft.
Am nächsten Morgen - gleich nach der Landung um 8.40 Uhr in Düsseldorf - hat er im Flughafengebäude eine Ausschuss-Sitzung. Am Mittag dann schnell noch eine Konferenz mit den Dezernenten, bevor Erwin gegen 14 Uhr wieder abhebt - diesmal nach Berlin zu Gesprächen über die Gemeinde-Finanzreform.
Kommunale Außenpolitik: Tagesgeschäft des Düsseldorfer Oberbürgermeisters. Der 52-Jährige sammelt Flugkilometer wie andere Briefmarken - "alles zum Wohl der Stadt", wie er versichert. Tokio, Shanghai, Chicago, San Diego, das sind nur einige der rund 20 Auslandstermine, die Erwin im Laufe eines Jahres wahrnimmt. Er versteht sich als oberster Makler Düsseldorfs, ist überzeugt: "Wer heutzutage Arbeitsplätze schaffen will, kommt nicht daran vorbei, seine Stadt auch im Ausland zu präsentieren."
Erwin verweist gern auf konkrete Erfolge seiner Reisetätigkeit: Großbauprojekte wie das "Benrather Karree", sagt er, wären ohne seine Verhandlungen auf der Immobilienmesse in Cannes wohl nicht zustande gekommen. In Moskau ist der Aufsichtsratschef der Düsseldorfer Messe ebenfalls häufig zu sehen. Erst vor etwas mehr als einem Jahr unterzeichnete Erwin dort mit seinem russischen Amtskollegen Luschkow ein Joint Venture über den Bau einer 30000 Quadratmeter großen Ausstellungshalle. Und auch für die 7.000 Einwohner und 400 Betriebe umfassende japanische Kolonie in Düsseldorf bedarf es immer wieder der Pflege von Kontakten in Osaka und Tokio.
Joachim Erwin mag einer der umtriebigsten Oberbürgermeister in Nordrhein-Westfalen sein, er ist jedoch nicht der einzige, der im Ausland für seine Stadt die Werbetrommel rührt. Ob Krefelds Oberbürgermeister Dieter Pützhofen (CDU) im englischen Leicester Gespräche über den Einzelhandel führt, oder der Bonner Stadtrat über eine "Konzeption kommunale Außenpolitik" berät - am Thema "Auslands-Einsatz" kommt auf Dauer kaum eine Kommune vorbei. Die 38 Stadtoberhäupter und Landräte der Regionalkonferenz Rhein-Main haben vor kurzem sogar eine gemeinsame Clearingstelle gegründet, die Auslandsaktivitäten künftig koordinieren soll.
Beim Deutschen Städtetag in Köln werden die reisefreudigen OBs gern gesehen, wie Jens Metzger, einer der Sprecher, erläutert. "Wer bei der Wirtschaftsförderung nicht den Anschluss verlieren will, muss sein Marketing international ausrichten", betont der 29-Jährige. "Die Unternehmen denken bei der Wahl neuer Standorte schließlich auch über Staatsgrenzen hinweg."
Für Franz-Reinhard Habbel (52), Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, sollten Auslandsaktivitäten der Stadtoberhäupter und Wirtschaftsförderer sogar eine Selbstverständlichkeit sein. "Gerade in der modernen, internetgetriebenen Ökonomie muss man über persönliche Kontakte Vertrauen vermitteln", glaubt er. "Das schafft keiner, indem er nur Briefe schreibt oder E-Mails versendet."
Eine Erkenntnis, die sich allerdings noch nicht überall durchgesetzt hat. Beispiel Leverkusen: Dort beklagt sich Bernhard Marewski, der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, schon seit Jahren über mangelndes Interesse von Unternehmen und Politik an Leverkusens Partnergemeinde Oulu. Die 600 Kilometer nördlich von Helsinki liegende finnische Stadt beherbergt unter anderem die Entwicklungsabteilung des Telekommunikationsriesen Nokia und verfügt über enormes wirtschaftliches Potenzial. "Einen Innovationspark, wie wir ihn gerade erst entwickeln, hatten die schon vor 20 Jahren", klagt CDU-Ratsherr Marewski, der erstklassige Kontakte nach Oulu besitzt und sich dafür stark macht, von den Erfahrungen der Finnen zu lernen. "Meist leider vergeblich", wie er sagt.
Gemeindebund-Sprecher Habbel schlägt die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er so etwas hört. "Da lässt man hervorragende Möglichkeiten einfach brachliegen - das ist schlicht fatal."
Auslandskontakte, Dienstreisen - für Eberhard Kanski (41) vom Bund der Steuerzahler alles begrüßenswert, so lange es wirklich um Wirtschaftsförderung geht. "Alibi-Reisen mit großen Delegationen ohne Fachleute" müssen seiner Auffassung nach jedoch aufgedeckt und angeprangert werden. Wenn wie im vergangenen Jahr in Remscheid "eine Delegation von Stadt und Stadtwerken nach Norwegen fliegt, um zu sehen, wie dort Erdgas gewonnen wird, ist das Polit-Tourismus. Da hätte ein einziger Vertreter ausgereicht", sagt Kanski. "Dagegen wehren wir uns."
Auch Joachim Erwin hat wegen seiner Vielfliegerei schon herbe Kritik einstecken müssen. "Ich habe dafür fast vollständig auf meinen Privaturlaub verzichtet", pflegt der OB solche Vorwürfe zu kontern. "Das kommt doch meist alles von der Opposition. Und die soll froh sein, dass ich nicht jeden Tag an meinem Schreibtisch sitze - sonst hätte sie es doch noch viel schwerer."
Quelle: Rheinische Post
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