Kölner Stadt-Anzeiger/ Leverkusener Anzeiger vom 09.02.2008 » Zurück

Leverkusen

• Leverkusen im Strukturwandel – Ein Projekt soll der Wirtschaftsförderung helfen
• Drei Partner kämpfen mit vereinten Kräften. Interview mit WFL-Geschäftsführer Wolfgang Mues
Kommentar von Thomas Käding: Gezerre statt Visionen
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Leverkusen im Strukturwandel –
Ein Projekt soll der Wirtschaftsförderung helfen


"Kein klares Handlungskonzept"

Mit dem "Leverkusen-Project 2020" soll die Wirtschaftsförderung den Strukturwandel in der Stadt bewältigen helfen. Um die Finanzierung gibt es Streit.

Von Thomas Käding

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: 15 Prozent weniger Jobs binnen zehn Jahren, 40 Prozent weniger Gewerbesteuer im gleichen Zeitraum. "Damit sind die wirtschaftlichen Entwicklungen in Leverkusen schlechter verlaufen als in anderen Städten in Nordrhein-Westfalen mit vergleichbarer Einwohnerzahl", schreiben die Berater von "ExperConsult". So etwas nennt man auch Strukturwandel. Wer wissen will, wo er seinen Ausgang nimmt, schaue ins Bayerwerk. Es heißt nicht zufällig inzwischen "Chempark".

Der Begriff Strukturwandel gehört zum Standardvokabular von Oberbürgermeister Ernst Küchler. Aber wie man ihn hinbekommt, ist eine offene Frage. Dort, wo sie beantwortet werden müsste, gibt es "bisher kein klares Handlungskonzept". Das sagt Wolfgang Mues, Geschäftsführer der Wirtschaftsförderung Leverkusen (WFL). Das will er ändern und hat sich dafür Berater ins Haus geholt. "ExperConsult" hat schon an anderen wirtschaftlichen Krisenherden gearbeitet und rät Leverkusen unter anderem zur Entwicklung eines wirtschaftlichen Leitbildes, zur besseren Verzahnung vorhandener gewerblicher Strukturen und dazu, zukunftsträchtige Branchen anzusprechen.

Das klingt zunächst banal, ist aber konkret ein langwieriger Prozess. Wie lang, erklärt bereits der Name: "Leverkusen-Project 2020". Um diese Vision zu entwickeln und umzusetzen, soll die WFL Verstärkung bekommen: Der Chemieparkbetreiber, die Bayer-Tochter Currenta, schickt einen Mitarbeiter, ein weiterer kommt aus der Sparkasse, die mit 20 Prozent an der Wirtschaftsförderungsgesellschaft beteiligt ist, eine dritte Kraft aus der Stadtverwaltung. Außerdem braucht die mehrheitliche Stadt-Tochter mehr Geld: 430 000 Euro für 2008, von denen Stadt gemäß ihres Anteils an der WFL 344 000 tragen müsste. Nicht wenig, angesichts eines städtischen Zuschusses von 750 000 Euro.

Im Rat war die Finanzierung des "Leverkusen-Project 2020" umstritten: SPD und Grüne folgten dem Vorschlag von Kämmerer Rainer Häusler, zunächst den Überschuss anzuknabbern, den die WFL auch im vorigen Jahr eingefahren hat. Das sind mehr als 400 000 Euro. Die CDU hält nichts davon, auch WFL-Chef Mues ist nicht begeistert. Er weist auf die Risiken des Tagesgeschäfts und die jüngere Geschichte der städtischen Tochter hin: Als vor drei Jahren Kämmerer Häusler die WFL übernehmen musste, war die Gesellschaft fast zahlungsunfähig. Häusler fuhr einen strikten Sparkurs, den Mues – ohne es vorher zu wissen – noch verschärfen musste: Vor 2007 habe der städtische Zuschuss noch bei 923 000 Euro jährlich gelegen, so der Geschäftsführer. Er spricht von einem "Rumpfteam" und sieht durch die Untersuchung von "ExperConsult" seine Befürchtung bestätigt, dass die WFL "nicht konkurrenzfähig" ist.

Tatsächlich verfügen Wirtschaftsförderungsgesellschaften oder -ämter in vergleichbaren Städten über zwölf Mitarbeiter – und nicht sieben. Ein andere Kennzahl, die Ausgaben für das Werben um neue Ansiedlungen, fällt für Leverkusen erschütternd aus: Die Stadt gibt 19 Cent pro Einwohner aus, Bochum 1,29 Euro und Dortmund 2,55 Euro. Ein Zeichen dafür, dass man den Strukturwandel in den ebenfalls hoch verschuldeten Städten des Ruhrgebiets sehr ernst nimmt.



Drei Partner kämpfen mit vereinten Kräften

Der Wirtschaftsförderung mangelt es nicht nur an Geld. Sie braucht auch ein neues Konzept. Geschäftsführer Wolfgang Mues gibt über Details des "leverkusen-project 2020" Auskunft.

LEVERKUSENER ANZEIGER: Mit dem "leverkusen-project 2020" bekommt die Wirtschaftsförderung Verstärkung. Wie sieht die aus?

WOLFGANG MUES: Eine dauerhafte personelle Verstärkung der Wirtschaftsförderung ist bisher nicht vorgesehen. Für die Bearbeitung des Projektes 2020 stellen aber der "Chempark" und die Sparkasse je einen Mitarbeiter zur Verfügung. Dies ist eine sehr wichtige Unterstützung, ohne die das Projekt nicht bearbeitet werden könnte.

Der Chemiepark-Betreiber Currenta schickt einen Mitarbeiter in das WFL-Team. Wird dadurch die Vermarktung der Flächen im Bayerwerk leichter?

MUES: Die Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaftsförderung und dem "Chempark" ist schon sehr gut. Hinsichtlich der Vermarktung und der Identifizierung gemeinsamer Projekte sollen beide Akteure im geplanten Leverkusenprocect 2020 noch enger zusammen arbeiten. Dabei soll auch eine bessere Branchen- und Netzwerkorientierung der WFL untersucht werden. Dies wird sich auch unterstützend auf die Vermarktung der Immobilien im "Chempark" auswirken. Der Currenta-Mitarbeiter wird während der Projektlaufzeit dem Team angehören.

Es fällt auf, dass neben Currenta und der Sparkasse auch die Stadtverwaltung personell vertreten ist. Aus welchem Bereich soll diese Kraft kommen?

MUES: Da es um Themen wie Standort- und Stadtentwicklung geht, wird ein Mitarbeiter oder eine Kollegin aus dem Baudezernat im Projektteam mitwirken.

Bis zum Herbst soll diese Mannschaft ein Konzept entwickeln. In welche Richtung könnte es gehen?

MUES: Erwartet wird nicht nur ein Zielkonzept für die Wirtschaftsförderung sondern auch eine konkrete Ableitung von Aufgaben, Maßnahmen und Aktivitäten in den schwierigen Zeiten des Strukturwandels. Darauf aufbauend sollen Leitprojekte definiert werden und ein Businessplan mit Organisationsund Finanzierungsplänen sowie Szenarien entwickelt werden, wie man das verwirklichen kann.

Um die Finanzierung des Projekts gibt es politischen Streit. Worum geht es da?

MUES: Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft kann das Projekt aus eigener Kraft nicht finanzieren, da unter anderem die Finanzierungszuschüsse der Stadt Leverkusen seit dem Jahr 2007 deutlich gekürzt wurden. Es ist daher notwendig, dass die Kosten für das Projekt zusätzlich zur Verfügung gestellt werden.

Was passiert nach 2020?

MUES: Bis zum Jahr 2020 wird die Stadt Leverkusen wirtschaftlich und strukturell gestärkt aus dem Strukturwandel hervorgegangen sein. Die Voraussetzungen für die zukünftige Entwicklung wären damit geschaffen.

Das Gespräch führte Thomas Käding



Kommentar

Gezerre statt Visionen

Thomas Käding über den Zustand der Wirtschaftsförderung

Die Berater, die das "Leverkusen-Project 2020" ersonnen haben, erzählen nichts Neues. Erstens: Die Stadt verliert vor allem gute industrielle Arbeitsplätze zu tausenden. Zweitens: Die Steuervermeidungstechniken, die auch Bayer anwendet, schließen das Gemeinwesen auch von einem Rekordergebnis fast aus. Das Gewerbesteueraufkommen bleibt unvergleichlich niedrig.

Was daraus folgen muss, ist in dieser Stadt häufiger diskutiert worden. Doch ein schlüssiges Konzept ist nicht in Sicht. Das müsste von der Wirtschaftsförderung kommen, aber es ist nicht lange her, da hatte die öffentlich finanzierte GmbH vor allem damit zu tun, nicht selbst Pleite zu gehen. Heute ist die WFL an Schlankheit kaum noch zu überbieten: Sie ist kleiner als in Städten vergleichbarer Größe. Und sie ist erst recht viel kleiner als in Städten mit vergleichbaren Strukturproblemen. Da muss es schwer fallen, tragfähige Visionen zu entwickeln.

Mit dem "Leverkusen-Project 2020" soll genau das geschehen. Doch statt einhelliger Unterstützung gibt es ein Gezerre um die Finanzierung, und der Kämmerer schreibt hinhaltende Kommentare – mit Hinweis auf die immense Verschuldung der Stadt. Die lässt sich nicht leugnen. Aber die Diskussion um die wirtschaftliche Zukunft dieser Stadt kann nicht weiter im luftleeren Raum geführt werden.



Zum Thema vergleiche:
Wirtschaftsförderung Leverkusen GmbH (WFL) wohin?
Dokumentation und Positionen