Kölner Stadt-Anzeiger/ Leverkusener Anzeiger vom 30.11.2007 » Zurück

Leverkusen

Schlechte Karten für Neucronenberg

Das Thema dritte Gesamtschule lockte 130 Zuhörer in den Agamsaal

Von Ulla Jonen

Ist eine dritte Gesamtschule "Blüte in der Bildungslandschaft oder Hauptschulkiller?" So war die Podiumsdiskussion am Mittwochabend im Forum betitelt, zu der der "Leverkusener Anzeiger" geladen hatte. Und es gab - erwartungsgemäß - zwei Antworten. Sowohl Guido Sattler, Leiter der Käthe-Kollwitz-Gesamtschule, als auch die SPD-Vorsitzende Eva Lux malten die Blüte farbenprächtig. Hiltrud Meier-Engelen (FDP) und Bernhard Marewski, Ratsherr und Leiter des Arbeitskreises Schule in der CDU-Fraktion, lehnten die dritte Gesamtschule dagegen ab. Dass eine Hauptschule "gekillt" wird, wurde dagegen deutlich: Die Schule an der Neucronenberger Straße hat schlechte Karten.

Es waren vor allem die beiden Frauen auf dem Podium, die vor 130 Zuhörern polarisierten. Meier-Engelen bezeichnete die Gesamtschule als "Fremdkörper" im Bildungssystem, Eva Lux titulierte die Hauptschule als "toten Patienten". Das empörte Martin Ehrlich, den Rektor der Hauptschule an der Neucronenberger Straße. Denn auf Nachfragen von Moderator Thomas Käding vom "Leverkusener Anzeiger" ließ Lux erkennen, dass es die Quettinger Schule sein wird, die einer dritten Gesamtschule zum Opfer fällt: Sie ist die einzige städtische Einrichtung, die "im Bereich Opladen" liegt. Dort soll die Schule geographisch liegen, heißt es im Ratsbeschluss. Ehrlich reagierte mit einer flammenden Verteidigungsrede: Die Hauptschule können gerade wegen ihrer geringen Größe den Kindern "das Familiäre" geben, es mangele ihr aber an Unterstützung.

Von der einstigen Vehemenz und Schärfe, mit der so manche Gesamtschuldebatte geführt worden war, war dennoch im Forum nicht viel zu spüren. Hiltrud Meier-Engelen und Bernhard Marewski zollten Guido Sattler mehrfach Respekt für seine Arbeit an der Rheindorfer Gesamtschule. Und Gymnasiallehrer Marewski betonte, dass er die Gesamtschule nicht pauschal ablehnt: Er glaubt nur, dass die bestehenden in Schlebusch und Rheindorf ausreichen. CDU und FDP forderten mehr Gerechtigkeit in der Verteilung der Mittel und wollen die bestehenden Hauptschulen mehr fördern und besser ausstatten. Die andere Seite will mehr Gerechtigkeit mit Hilfe eines durchlässigeren Schulsystems. Und das sei nun mal die Gesamtschule, befand Lux.

Ganz ohne theoretische Diskurse, die in der ausführlichen Fragerunde aus dem Publikum beigesteuert wurden, ging es nicht. Wie und wann der von der SPD-Fraktion organisierte Mehrheitsbeschluss in die Tat umsetzen lässt, beantwortete Marc Adomat eher ausweichend: Der Schuldezernent glaubt, dass das Projekt zum nächsten Schuljahr nicht verwirklicht werden kann. "Wir brauchen Zeit", sagte er unter Stirnrunzeln von Eva Lux. Deshalb habe die Verwaltung in ihrem Fragebogen - letzter Rückgabetermin ist heute - nicht nur die Eltern der Viert-, sondern auch die der Drittklässler nach ihrer Schulwahl befragt. Der Beigeordnete verwies pauschal auf die hohen Kosten und darauf, dass vom Land keine Zuschüsse zu erwarten sind. Einen Neubau hält der Dezernent deshalb für unwahrscheinlich - die prekäre Haushaltslage der Stadt werde das kaum zulassen. Auch, dass die dritte Gesamtschule im Ganztagsbetrieb laufen wird, mochte Adomat lieber nicht vorhersagen: Die schwarz-gelbe Landesregierung interpretiert das Schulgesetz so, dass keine Schulform in Sachen Ganztagsbetrieb bevorzugt werden soll.

Dass die Schule aus dem Verkaufserlös von RWE-Aktien bezahlt werden könne, führte Eva Lux als Möglichkeit an. Als es weiter ums Geld ging und Hiltrud Meier-Engelen befand, dass man städtische Mittel lieber in den Hitdorfer Hochwasserschutz als in eine Gesamtschule stecken sollte, ging ein Raunen durch den Saal. Einer Mutter mit Hauptschulabschluss platzte der Kragen: Die Kinder würden als "Klientel" behandelt - "ich ärgere mich zu Tode". Für sie lag die Antwort auf dei Eingangsfrage auf der Hand: "Wir haben fünf Gymnasien, drei Real-, vier Hauptschulen und zwei Gesamtschulen. Da ist doch klar, was passieren muss."