Bertelsmann-Stiftung "Stärkung von Schulen ..."
Ratssitzung am 12.5.1997
Bernhard Marewski, CDU-Fraktion,
zur Vorlage R 717 - Gemeinsames Projekt des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bertelsmann-Stiftung "Stärkung von Schulen im kommunalen und regionalen Umfeld" - Beteiligung der Stadt Leverkusen
Der falsche Weg.
Das vorliegende Projekt wurde im wesentlichen an den parlamentarischen Gremien vorbei initiiert und fortentwickelt.
Dies gilt sowohl für den Landtag NRW wie auch für die Kommune Leverkusen.
Ministerin Gabriele Behler berichtete im Ausschuß für Schule und Weiterbildung des Landtages über das Projekt zum ersten Mal am 23.10.1996 und muß sich den Vorwurf gefallen lassen, dies erst auf Anfrage getan zu haben.
Die Ministerin verwies in dieser Sitzung darauf: "Im Kreis Herford und der Stadt Leverkusen beginnen zur Zeit intensive Prozesse der Klärung und Konkretisierung sowohl bei den zu beteiligenden Schulen als auch in den verschiedenen Gremien der Schulträger."
Als Mitglied des Rates war mir davon nichts bekannt. Dies veranlaßte mich zu der bekannten Anfrage am 19.11.1996, nachdem bereits am 28.10.1997 - drei Wochen vorher - die Leverkusener Schulen über das Projekt informiert worden waren und dort "Konkretisierungsprozesse" begonnen hatten.
Obwohl man alle 6 Fragen innerhalb 1 Tages hätte beantworten können, dauerte es bis zum 28.1.1997 - also ganz 10 Wochen - zur Beantwortung der Anfrage in z.d.A.Rat.
Es ist richtig, zwar gab es vorher verschiedentliche Hinweise (z.B. "Top-Verteiler"), die Mitglieder der Ratsgremien waren nicht informiert.
Und - in der Antwort der Verwaltung ist ausdrücklich vermerkt, daß "eine weitergehende Beteiligung des Rates und seiner Ausschüsse wegen mangelnden Entscheidungsbedarfs nicht erforderlich sei" - Ende Januar 1997... immer noch nicht !
Erst als 15 Schulen - von 50 - ihre Teilnahme am Projekt erklärten - war die Zeit gekommen, mit der Vorlage R 717 die Ratsgremien überhaupt und umfassender zu informieren - nach dem Motto, jetzt gibt's kein Zurück mehr.
Meine Meinung: Gleichzeitig und im Dialog zwischen den Entscheidungsgremien des Rates und der Schulen hätte hier das Projekt erörtert werden müssen!
Umgang mit der "Denkschrift".
Dieses Projekt orientiert sich ausdrücklich an der "Denkschrift" "Zukunft der Bildung - Schule der Zukunft". Obwohl auch diese Denkschrift - der Name sagt es - zum Nachdenken anregen soll - und die Diskussion wird ja durchaus überall geführt - sollen mit diesem Projekt einzelne Elemente aus der Denkschrift herausgelöst und "modellhaft" umgesetzt werden.
Der Schulausschuß der Stadt Köln hat sich z.B. am 28.10.1996 mit dieser Denkschrift beschäftigt, am Rande auch mit dem Bertelsmann-Projekt. Die Denkschrift als solches wird begrüßt, weil sie die bildungspolitische Diskussion neu belebt. Gleichzeitig werden aber Bedenken geäußert, daß in Teilbereichen die Autonomie der Kommune gefährdet sei. Einzelne Vorschläge der Denkschrift werden als unausgegoren bezeichnet, andere "aus grundsätzlichen und pragmatischen Gründen" sogar abgelehnt.
Ergebnis: Beteiligung an der weiteren Diskussion - und Mitwirkung, "wenn Reformansätze Unterstützung verdienen".
Im wesentlichen: Abwarten - auch was das Bertelsmann-Projekt in Leverkusen anbelangt.
"Neues" mit Bertelsmann?
Was das Bertelsmann-Projekt anbelangt, so ist festzuhalten, daß die sog. Eckpunkte: Verbesserung - der päd. Arbeit, - der internen Kooperation und Führung, - der Kooperation im Umfeld, - des Ressourceneinsatzes - wirklich sehr allgemein gehalten sind - und - so unkonkret - nicht geeignet sind, darauf eine vertragliche "Vereinbarung" zu gründen (Anlage 2 der Vorlage)((gemeint ist der Vertrag zwischen der Stadt Leverkusen und der Bertelsmann-Stiftung)).
Diese Ziele sind keine neuen, sie sind auch nicht besonders innovativ. Umsetzungen sind bisher auch nicht am Reformwillen gescheitert, sondern einfach daran, daß personelle und finanzielle Ressourcen im Land und in den Kommunen nicht ausreichten.
Eine grundsätzliche Änderung dieser Situation ist in absehbarer Zeit nicht zu erkennen.
15 Leverkusener Schulen wollen sich an diesem Projekt beteiligen. Es gibt einige interessante Idee, wenngleich sie sich im Grunde genommen in ihrer Qualität nicht unterscheiden von anderen Projektideen, die an Leverkusener Schulen in den letzten Jahren angegangen wurden. In einigen Fällen entdecke ich dabei eher die Absicht, bestehende Richtlinien (endlich) umzusetzen.
Was bewegt die Bertelsmann-Stiftung unter der Führung von Reinhard Mohn, sich in dieser Weise "gesellschaftspolitisch" zu beteiligen?
Die Stiftung verweist darauf, daß bei der Gründung im Jahre 1977 "gesellschafts- und unternehmenspolitische ((=> "Unternehmenskontinuität")) Überlegungen eine gleichberechtigte Rolle" spielten.
Seit 1993 ist die gemeinnützige Stiftung größter Eigentümer des Bertelsmann-Konzerns, des 2.-größten Medienkonzern der Welt.
Niemand hat etwas dagegen, wenn sich Firmen gesellschaftspolitisch oder sozialpolitisch engagieren. Die gute Absicht soll hier auch keineswegs in Abrede gestellt werden.
Allerdings ist sorgsam zu prüfen, - ob, - in welcher Weise, - in welchem Umfang man sich auf ein solches Engagement einläßt - als Kommune
In seinem Buch "Wer beherrscht die Medien?" setzt sich Lutz Hachmeister kritisch mit den Medienkonzernen auseinander, auch mit Bertelsmann. Eine "spezifische Unternehmensphilosophie" - im positiven Sinne - wird Bertelsmann unterstellt. Es wird aber auch kritisch angemerkt, daß "Bertelsmann sich nicht davon abhalten läßt, Bündnisse mit Partnern wie Rupert Murdock zu schließen, die keinerlei ideelle Motive leiten".
Lassen Sie mich noch etwas zur Bertelsmann-Stiftung selbst sagen:
"Die Denkfabrik der Bertelsmann-Stiftung entwickelt sich zum heimlichen Bildungsministerium", dies ist in der "ZEIT" vom 2. Mai 1997 zu lesen.
Unter der Überschrift "Die Lotsen aus Gütersloh" wird zu einem anderen, aber ebenfalls bildungspolitischen Projekt Stellung bezogen, zum "Centrum für Hochschulentwicklung" (CHE):
"Steuermann des Centrums (CHE) ist die Bertelsmann-Stiftung."
"Am Standort Gütersloh [...] werden die Projekte gesteuert, unter der diskreten, aber energischen Aufsicht des Stiftervaters. Und solange der Erfolg sich einstellt, fließen die Mittel großzügig."
"((CHE)) soll eine Denkfabrik sein, ein Beratungs- und Untertützungsinstrument, das innovative Konzepte entwirft und bei ihrer Umsetzung hilft, ..."
Und zu den Konsequenzen:
"Je bedeutender der Einfluß des Centrums (CHE), desto größer auch die Neigung, freihändig Politik zu machen."
"Können eine Universität, ein Bundesland mit dem CHE Projekte umsetzen, ohne sich von dessen bildungspolitischer Grundüberzeugung abhängig zu machen? Oder anders herum: Hängt die Hilfe des CHE davon ab, ob ein Rektor, ein Wissenschaftsminister dessen Linie einhält? Diktiert das CHE, wo es langgeht?"
Folgerungen:
Alle diese Zeichen finden sich durchgängig auch in dem vorliegenden Projekt "Stärkung von Schulen" - bis zur Formulierung: "Die Federführung dieses Projektes liegt in einem "Lenkungsausschuß", in dem die Bertelsmann-Stiftung den Vorsitz hat. (Projektbeschreibung S. 9).
An dieser Stelle möchte ich aus einem Leserbrief von Gerd Josmann zitieren, (den ich persönlich nicht kenne,) der treffend formuliert hat:
"Schule ist keine Veranstaltung von Politikern und von Lehrern und erst recht nicht der Wirtschaft, sondern Schule muß sich nach den Vorgaben der Verfassung richten."
Schulpolitik ist Ländersache.
Schulpolitik muß mit der parlamentarischen Mehrheit des Landtage gemacht werden und in Richtlinien münden.
"Schulversuche" gehören mit zur Schulpolitik.
Bisher sind Entscheidungen dazu in den parlamentarischen Gremien des Landtages getroffen worden.
Mit dem vorliegenden Projekt wird dieser Weg verlassen.
Hier entwickelt sich eine außerparlamentarische Bildungspolitik!
Der "Stiftungs-Zug" scheint modern, innovativ, schnittig - er "paßt irgendwie" in das Konzept der Landesregierung - der "Zielbahnhof" bleibt vage!
Statt mit 1 Mio. "Fahrtkosten" (=> Stadt Leverkusen auf fünf Jahre) sich an dieser Fahrt zu beteiligen - anfangs wurden wir ja geködert, kostenlos mitfahren zu dürfen - sollten wir die sach- und fachgerechte Ausstattung unserer Schulen sichern und innovative Projekt an unseren Schulen - wenn - dann direkt fördern!
Die CDU-Fraktion wird dieser Vorlage nicht zustimmen,
es wird Stimmenthaltungen geben.