Brauchen wir neue Wohngebiete und neue Gewerbegebiete in Leverkusen?
Hierauf ein klares "Ja".
Folgt man der Bevölkerungsprognose des Statistischen Landesamtes, so ist in Leverkusen in den nächsten 15 Jahren mit einem Bevölkerungsrückgang von etwa 11.000 auf etwas über 150.000 Einwohnern (- 7%) zu rechnen - vorausgesetzt die Umstände bleiben wie sie jetzt sind. Für die Region erwartet man dagegen im gleichen Zeitraum eine Bevölkerungszunahme von etwa 5 %.
Diese Entwicklung wäre für Leverkusen fatal:
- Geringere Einkommenssteuer, folglich höhere Belastungen für jeden einzelnen bei den kommunalen Abgaben. Straßenreinigung, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallentsorgung ... die Gebühren würden deutlich steigen. Und für viele kommunalen Leistungen wie z.B. in der Kultur oder bei den freiwilligen Leistungen im Jugend- und Sozialbereich stünden noch weniger Mittel zur Verfügung
- Geringere Nachfrage beim Einzelhandel und bei den Dienstleistungen mit der Folge reduzierter Angebote.
- Ungünstigere Arbeitskräfte- und Arbeitsmarktstruktur, auch infolge einer Veränderung der Altersstruktur. Die Folge: Neue Unternehmen kommen nicht nach Leverkusen.
Solche Entwicklungen hätte weitere Abwanderungen zur Folge, vorwiegend von jungen Menschen.
Dies kann und darf sich unsere Stadt nicht leisten.
Leverkusen muß als Wohnstandort für die eigenen Bürger wie für Neubürger attraktiver werden, muß qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schaffen - und muß dabei natürlich auch die Umweltsituation nachhaltig verbessern.
Tatsache ist, daß in der Bundesrepublik die Wohnfläche je Einwohner wächst - als Folge höherer Einkommen und kleinerer Haushalte. Und dieser Trend hält an. In Leverkusen ist die Wohnfläche pro Kopf zwischen 1987 und 1997 unterdurchschnittlich von 31,0 m² auf 35,9 m² gestiegen. Für das Jahr 2010 rechnet man mit 38,2 m² (Raumordnungsregion Köln: 41,1 m²!).
Allein dies bedeutet für Leverkusen, daß bei konstanter (!) Einwohnerzahl etwa 160 ha zusätzliches Bauland benötigt würde - für den Wohnungsbau stehen heute jedoch nur 90 ha als ausgewiesene neue Flächen zur Verfügung.
Wohnraum würde also knapp und teuer. Gerade für junge Familie wäre Leverkusen kein Thema.
Wohnen und Arbeiten gehören eng zusammen, sie sind Lebensgrundlage.
Die Arbeitsmarktsituation in Leverkusen hat sich in den 90-er Jahren auch infolge einer einseitig strukturierten Wirtschaft dramatisch verändert. Über 10.000 Arbeitsplätze, vor allem im produzierenden Bereich, gingen verloren. Wollte man unter heutigen Rahmenbedingungen diese Zahl von Arbeitsplätzen neu schaffen, so benötigte man rund 130 ha neue Gewerbefläche. Leverkusen verfügt hier jedoch nur noch über etwa 70 ha planerisch gesichertem Bruttobauland.
Strebte man für die nächsten 12 Jahre für Leverkusen eine Bevölkerungszahl von 170.000 an, so bräuchte man etwa 310 ha Wohnbauland und etwa 180 ha Gewerbefläche - unter den derzeit im Bundesgebiet gängigen Rahmenvorgaben.
Die Lösung für Leverkusen wird sicher zwischen diesen Werten und dem unzureichenden Status Quo liegen.
Manches ist in Leverkusen in der Vergangenheit unbefriedigend gelaufen. Die Ursachen sind vielfältig, manche Fehler hätten jedoch vermieden werden können. Das Schicksal des ehemaligen Walzwerkes Wuppermann war von Leverkusen nicht unmittelbar beeinflußbar, die Reaktivierung dieses Geländes als Gewerbefläche jedoch verlief mehr als zögerlich. Und ein Grobkonzept für eine derartige Fläche zu haben, war einfach zu wenig.
Aktive Wirtschaftsförderung notwendig
Was hier (wie für andere Gewerbeflächen in Leverkusen) fehlte, war eine offensive Wirtschaftsförderung, die den heutigen und künftigen Bedingungen des Marktes gerecht wird. Die CDU-Fraktion im Rat der Stadt Leverkusen lehnte deshalb mit Erfolg eine Verwaltungsvorlage ab, in der lediglich das Amt für Wirtschaftsförderung mit etwas mehr Personal ausgestattet werden sollte. Der weitere Schritt war ein (interfraktionelles) Einvernehmen, über einen renommierten Unternehmensberater (Roland Berger) einen "Akquisitionsbeauftragten" zu suchen, der für Leverkusen sich auf die Suche nach neuen Unternehmen machen sollte.
Der Unternehmensberater präsentierte nicht nur eine Auswahl von Kandidaten, sondern auch eine Analyse, in der die Gründung einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft (GmbH) als notwendig erachtet wurde. Er bestätigte damit die CDU-Position, die bis dahin politisch nicht durchsetzbar war.
Das Ergebnis ist inzwischen bekannt. Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft Leverkusen (WFL) wurde nach Ratsbeschluß im Frühsommer des Jahres gegründet. Bereits jetzt ist erkennbar, daß unter dem agilen und in der Materie bewanderten Geschäftsführer Dr. Thomas Robbers die Wirtschaftsförderung Profil und Dynamik erhalten hat.
Will man neue Unternehmen mit zukunftsträchtigen Arbeitsplätzen in Leverkusen etablieren, um zumindest ein Teil der verlorenen Anzahl von Arbeitsplätzen neu zu schaffen, so müssen entsprechend vermarktbare Gewerbeflächen angeboten werden.
Hier arbeitet die Wirtschaftsförderung mit der Stadtverwaltung eng zusammen, deren Aufgabe es u.a. ist, Standorte in Leverkusen auf ihre Eignung als Gewerbeflächen zu prüfen. Diese Prüfungsergebnisse berät dann der Rat und entscheidet unter Abwägung ökonomischer und ökologischer Belange. Wann und inwieweit unter vorgegebenen Rahmenbedingungen ein Gelände tatsächlich als Gewerbefläche genutzt wird, hängt - gerade bei privaten Eigentümern - dann von den Investoren ab. Dies gilt für den Innovationspark Leverkusen (IPL) (ehemaliges Wuppermann-Gelände) wie für die sog. "Bullenwiese" und andere potentielle Gewerbeflächen in Leverkusen.
Es gilt aber auch: Wer nicht im entscheidenden Augenblick ein passendes Flächenangebot parat hat, sieht einen Investor schnell von hinten. Andere Kommunen schlafen nicht.
Natürlich bedarf es einer umfangreichen Zusammenarbeit, um neue Arbeitsplätze in Leverkusen zu schaffen. Hier ist Leverkusen inzwischen aus dem Dornröschenschlaf erwacht, wie das Beispiel der Gründung des gentechnischen Unternehmens Biofrontera zeigt. Das örtliche Beratungsunternehmen Fundamenta, die Wirtschaftsförderung, das Gründer- und Innovationszentrum (GIZ) sowie die Sparkasse Leverkusen haben hier eng und beispielhaft zusammengewirkt. Dies wird Signalwirkung für künftige Unternehmensgründungen in Leverkusen haben.
Wir brauchen Wohnungen in Leverkusen
Leverkusen muß preiswertes Bauland erschließen und die Bautätigkeit fördern. Dies schafft nicht nur Arbeit für das örtliche Baugewerbe und das Handwerk, sondern belebt auch den Wohnungsmarkt allgemein. Erleichterte Möglichkeiten zur Bildung von Wohneigentum (z.T. verbunden mit Umzügen) entlastet den Mietwohnungsmarkt und stabilisiert die Mieten.
Gefragt sind heute auch - gerade von jungen Familien - kostengünstig erstellte Eigenheime. Werden solche Wohnplätze unter Verdichtung vorhandener Wohngebiete ausgewiesen, kommt es schnell zu Protesten der Anwohner ("Nicht vor meinem Fenster!"), gibt es neue Ausweisungen "am Stadtrand", wird der "Erhalt von Grün" entgegengesetzt.
In der Vergangenheit entstanden Baugebiete oder -flächen oft so, wie es sich ergab. Jüngste Beispiele sind das Baugebiet Mühlengraben in Bürrig und eine Bauverdichtung im Quettinger Feld. Wir erinnern uns aber auch an das Baugebiet am Scherfenbrand, in dem Bauen "um jeden Preis" angestrebt wurde. Die Diskussionen hier wie sonst wurde kontrovers, aber oft auch emotional unsachlich geführt - von unterschiedlichen Positionen aus.
Was bisher in Leverkusen fehlte, ist eine gesamtstädtische Sichtung und Perspektive tatsächlichen notwendigen Wohnraumes, um einer dem Gemeinwohl entgegenstehenden örtlichen "Kirchturmpolitik" entgegenzutreten.
Die CDU-Fraktion hat deshalb mit Erfolg beantragt, solche aktuell anstehenden "sensiblen" Gebiete zunächst zurückzustellen, bis die Ergebnisse des "Projektes Stadtentwicklung" vorliegen, in dem Vertreter aller im Rat vertretenen politischen Parteien, aus der Verwaltung und aus einem Beratungsunternehmen zusammenarbeiten.
Hier vorgesehen ist z.B. eine öffentliche Veranstaltung "Bau- und Freiflächenpolitik in Leverkusen", um im Dialog mit Fachleuten und mit der Bürgerschaft notwendige und "verträgliche" Lösungen auszuloten - für Bauland und Gewerbeflächen.
Was Leverkusen bisher fehlte, waren sorgfältig abgestimmte Entwicklungskonzepte für die Bereiche Wohnen, Arbeiten und lokale Umwelt - jeweils für sich aber auch unter Berücksichtigung ihrer gegenseitigen Bedingungen.
Sicherlich ist dieses Knüpfen eines Netzwerkes ein schwieriges Unterfangen und verlangt von allen Beteiligten kritisches und vertrauensvolles Zusammenwirken. Dies sollte uns allen einiges wert sein. Es ist unsere Stadt, "unser Leverkusen" und unsere Zukunft.
* Stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrates der Wirtschaftsförderungsgesellschaft Leverkusen (WFL)
und Mitglied der Arbeitsgruppe "Städtebau und Ökologie" im "Projekt Stadtentwicklung"