Modernes Märchen
erschienen in der Rheinischen Post / Rhein-Wupper-Zeitung am 31.10.97
Aus dem Land der CDU
Zoff um König Rudi
Es gab einmal einen König in Leverkusen. Fast 1500 Untertanen hatte er um sich geschart. Gnädig und voller Diplomatie führte König Rudi sein Volk durch alle politischen Wirren der Provinzstadt namens Leverkusen. Vielen fiel das christdemokratische Oberhaupt gar nicht auf. König Rudi liebte die kleinen Zirkel, verursachte kaum öffentlichen Rummel um seine Person. Landeten seine sozialdemokratischen Widersacher einen pressewirksamen Treffer, konnte dies König Rudi nicht tangieren.
Aber wie es in modernen Königtümern so ist, muß Rudi in drei Wochen um die Gunst seines Volkes buhlen. Sie sollen ihn als König der CDU, wie sich die Christdemokraten in Kurzform nennen, für zwei Jahre wiederwählen. Seit der Termin bekannt ist, rumort es im Volk von Rudi, dem Müllersohn. "Er ist ein Faulpelz", ereifern sich einige. "Wann ist der Mann eigentlich mal öffentlich präsent?" schimpfen andere. Und überhaupt: auch seine Minister müsse man zum Hofe hinausjagen: den umtriebigen Klaus, den Hupperthsohn, auch den geschäftigen Hans-Gert, den Lelickenssproß, und zudem den bärtigen Bernhard vom Stamm Marewski. Da müsse mehr Bewegung in die abgeschlafften Spitzen des Parteivolkes. Seid wenigstens so mutig und meutert öffentlich, fordern die Freunde von Rudi. Da wurden die Königsgegner blaß. Keiner raffte sich auf, um Rudi den Thron streitig zu machen. Herunterstoßen sei das eine, aber selbst das Zepter in die Hand nehmen, oh wei, dies könnte ja in Arbeit ausarten. Dann müßte man auch den eigenen Anspruch erfüllen, Parteitage vorbereiten, überall mitmischen, wie eine Speerspitze die Stellung der CDU verteidigen. Man stünde selbst im Rampenlicht. "Wir vertagen uns erst einmal", zögerten die Rudi-Kritiker. Man wolle die Abstimmung über den Bundestagskandidaten abwarten. Wird es Bernhard Marewski, bleibe man in Deckung. Zieht Helmut Nowak in den Kampf, dann wollen sich die Kritiker sammeln und König Rudi das Fürchten lehren. Das Ende der Geschichte demnächst. US
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