Kölner Stadt-Anzeiger/ Leverkusener Anzeiger vom 08.03.2005 |
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Was geschieht mit der Wirtschaftsförderung?
Von Thomas Käding
Geht es nach den Miteigentümern Sparkasse und Bayer, wird die Stadt-Tochter völlig umgekrempelt.
Der plötzliche Abgang von Geschäftsführer Oliver Reitz könnte für die Wirtschaftsförderungs- gesellschaft wesentlich größere Konsequenzen haben als zunächst angenommen. Gestern Nachmittag meldete sich das Wirtschaftsgremium Leverkusen zu Wort und stellte das Konstrukt in Frage. Und da die Vorsitzenden des Gremiums gleichzeitig Gesellschafter der Wirtschaftsförderung Leverkusen (WFL) sind, hat das Wort von Sparkassen-Chef Manfred Herpolsheimer und Bayer-Chemiepark-Leiter Heinz Bahnmüller einiges Gewicht. Beide forderten gestern in der Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer in Opladen eine Abkehr vom jetzigen Geschäftsmodell. Derzeit hält die Stadt 78,99 Prozent des WFL-Gesellschaftskapitals, die Sparkasse ist mit 20 Prozent dabei, und Bayer hält mit 1,01 Prozent einen eher symbolischen Anteil. Die laufenden Kosten des Unternehmens würden die derzeit elf Mitarbeiter idealerweise selbst einspielen: Von der Stadt wurden der WFL bei ihrer Gründung diverse Gewerbegrundstücke überschrieben, die an Unternehmen verkauft werden sollen. Die Vermarktung indes verläuft schleppend; überdies hat sich die WFL mit dem als Zentrum für Biotechnologie konzipierten „Bioplex“ einen 7,5 Millionen Euro schweren Stein um den Hals gebunden, der nur unter Aufgabe des Konzepts bis heute einigermaßen vollständig vermietet werden konnte.
Auch auf den meisten Grundstücken sitzt die WFL noch heute, so dass die städtische Tochterfirma in eine erhebliche finanzielle Schieflage geraten ist. Vor diesem Hintergrund sagte Sparkassenchef Herpolsheimer: „Als die WFL gegründet wurde, war das mit den Grundstücken vielleicht ein gutes Modell. Die Frage ist, ob das heute noch gilt.“ Deshalb fordern er und Bahnmüller einen Neustart für die Wirtschaftsförderung. Als kleine, so Bahnmüller „vielleicht drei oder fünf Köpfe starke Truppe“, die in enger Abstimmung mit dem Oberbürgermeister vor allem eines ist: verlässlicher Türöffner für Unternehmer, die sich in Leverkusen niederlassen wollen. Und machtvoller Interessenvertreter für Firmen, die schon in Leverkusen sind.
Das Grundstücksgeschäft müsse man anderen überlassen; Nebengeschäfte wie Stadtmarketing hätten in einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft ohnehin nichts zu suchen. Auch das Kapital-Engagement Dritter habe sich letztlich nicht bewährt, erklärten Bahnmüller und Herpolsheimer. Und für eine breitere Risikostreuung durch neue Gesellschafter sieht der Sparkassen-Vorstand keine Chance mehr: „Wer beteiligt sich denn an einem Unternehmen, das nur Verluste produziert?“
Das Übergangsmandat, das Stadtkämmerer Rainer Häusler an der WFL-Spitze übernommen hat, müsse für eine Grundsatzdebatte genutzt werden, fordert das Wirtschaftsgremium, dem Vertreter von rund zwei Dutzend Unternehmen in Leverkusen angehören. Dazu seien sowohl Häusler als auch Oberbürgermeister Ernst Küchler, der dem WFL-Aufsichtsrat vorsitzt, bereit.
Quelle: www.ksta.de/artikel.jsp?id=1109243488301
Anmerkungen:
1. Es melden sich hier die Vertreter der Minderheitengesellschaften zu Wort, die zusammen 21,01 Prozent des WFL-Gesellschaftskapitals halten. Diese öffentliche Positionierung bedeutet einen Vorgriff auf die reguläre Gesellschafterversammlung.
2. Es wird dargelegt, dass die WFL noch heute auf den meisten Grundstücken sitze, so dass die städtische Tochterfirma in eine erhebliche finanzielle Schieflage geraten seien. Richtig. Genau das ist in meinem Expose vom 14.02.2005 nachzulesen ("... ein Teil der Grundstücke war/ist äußerst schwer veräußerbar. Dass die WFL in eine finanzielle Schieflage geraten sollte, war abzusehen." ... mehr). Dass nur die ersten Grundstücke flott abzusetzen waren, wusste man schnell - das weiß man nicht erst jetzt.
3. "Nebengeschäfte wie Stadtmarketing hätten in einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft ohnehin nichts zu suchen." - Richtig, wenn es kein ortsbezogenes klares Konzept gibt.
Siehe hierzu mein Expose vom 14.02.2005 ... mehr
In Deutschland existieren viele Stadtmarketingdefinitionen. Vielleicht hätte sich folgende Definition mit Inhalten füllen lassen: "Stadtmarketing ist ein langfristiges Führungs- und Handlungskonzept, das in den Bereichen Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Standortwerbung und Öffentlichkeitsarbeit neue Impulse geben soll."
4. „Wer beteiligt sich denn an einem Unternehmen, das nur Verluste produziert?“. Richtig, wenn das Konzept falsch ist (Finanzierung durch Verkauf von Grundstücken z.B.); aber das hätten manche, die sich jetzt plötzlich für eine "neue Philosophie" stark machen, längst ändern können.
Dafür, dass Wirtschaftsförderung mit einer größeren Beteiligung von Gesellschaftern funktioniert, gibt es viele Besispiele, u.a. "WFMG-Wirtschaftsförderung Mönchengladbach GmbH".
Siehe hierzu mein Expose vom 14.02.2005 ... mehr
5. Zur Grundsatzdebatte sind nicht nur die aufgeführten Personen bereit.
Bernhard Marewski
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