2005: Kritik am Schulgesetz NRW |
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Martina Pötschke-Langer
Rauchfreie Schulen - Bedeutung und Umsetzung pdf
(Auszug - gesamter Text hier)
Gesetzliche versus freiwillige Regelungen
In Deutschland ist laut Jugendschutzgesetz (§ 9) allen Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren das Rauchen in der Öffentlichkeit untersagt. Das Rauchen von Schülern ab dem 16. Lebensjahr in Schulen ist auf Landesebene geregelt.
Im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen war das Rauchen von Schülern und Lehrern in der "bereinigten amtlichen Sammlung der Schulvorschriften" bis 2004 festgeschrieben. Danach (§ 41, Absatz 3) galt: "Das Rauchen auf dem Schulgelände ist Schülern grundsätzlich untersagt. Über Ausnahmen für Schüler der Sekundarstufe II, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, entscheidet der Schulleiter nach Beteiligung der Schulkonferenz. Das Einverständnis der Erziehungsberechtigten ist erforderlich." Diese Regelung wurde ergänzt durch eine weitere Bestimmung: "Hinweise für die Schulen: Für Schülerinnen und Schüler gilt das grundsätzliche Rauchverbot (...) obwohl von vielen Seiten ein ausnahmsloses Verbot des Rauchens an Schulen gefordert wird, soll es bei der Ausnahmemöglichkeit für Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe II bleiben. (...) Das Rauchen darf nur während der unterrichtsfreien Zeit auf bestimmten Flächen des Schulhofes erlaubt werden. Raucherzimmer oder Raucherecken im Schulgebäude sind nicht mehr zulässig." Außerdem wurde das Rauchen der Lehrkräfte sowie Mitarbeiter und Besucher wie folgt geregelt: " ... ist Lehrerinnen und Lehrern das Rauchen in den Teilen des Schulgebäudes untersagt, die für Schülerinnen und Schüler regelmäßig zugänglich sind. (...) auch (...) werden die Lehrerinnen und Lehrer gebeten, in Gegenwart von Schülerinnen und Schülern auf das Rauchen zu verzichten." [7,8]
Diese sehr weiche, im Grunde das Rauchverhalten in Schulen möglich machende Gesetzesregelung wurde in einer Befragung von Schülerinnen und Schülern im Schuljahr 1999/2000 (800 Mädchen und 799 Jungen aus 62 Schulen in NRW) durch eine Arbeitsgruppe der Fakultät für Gesundheitswissenschaften Bielefeld [7,8] evaluiert. Es wurde deutlich, dass tatsächlich an drei Vierteln der Schulen mit Sekundarstufe II das Rauchen für Schüler zugelassen wurde, das heißt die Mehrzahl der Schulen die im Gesetz optional verankerte Ausnahmeregelung umsetzten. Das Beispiel NRW zeigt deutlich, dass, wenn Gesetzgeber keine klaren Verbote erlassen, dem Rauchverhalten in Schulen Tür und Tor geöffnet sind.
Ferner wurde in der Evaluation der NRW-Schulen festgestellt, dass, wenn in einer Schule Rauchen möglich ist, dieses dann auch nicht sonderlich streng kontrolliert wird: So berichteten rund 75% der Schüler von regelmäßigen Rauchpausen in Toiletten und Waschräumen [7,8]. Zwar wurden in drei Vierteln der Sekundarstufe I Schulen striktere Kontrollen vorgenommen, hingegen nur etwas bei der Hälfte der Schulen mit Sekundarstufe II. Es ist offensichtlich, dass die Glaubwürdigkeit des Konzeptes "Rauchfreie Schule" in der Kombination von einer Rechtssicherheit und strikten Kontrollen der Umsetzung besteht.
Völlig unverständlich ist deshalb die Entscheidung des Landtages von NRW, welcher am 27.01.2005 in der 3. Lesung folgendes Gesetz zur Schulgesundheit verabschiedete:
"Auf dem Schulgrundstück sind im Zusammenhang mit schulischen Veranstaltungen der Verkauf, der Ausschank und der Genuss alkoholischer Getränke sowie das Rauchen untersagt. Für Schulveranstaltungen außerhalb des Schulgrundstücks gilt Satz 1 entsprechend. Über Ausnahmen entscheidet die Schulkonferenz. Brandweinhaltige Getränke sind auf keinen Fall erlaubt."
Dieses scheinbare Rauchverbot im Schulgesetz ist irreführend, denn es wird sich nichts ändern. In der bisherigen Allgemeinen Schulordnung NRW war nach § 41 Absatz 3 das Rauchen auf dem Schulgrundstück bereits grundsätzlich untersagt. Über Ausnahmen für Schüler der Sekundarstufe II, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, entschieden die Schulleiterin oder der Schulleiter nach Beteiligung der Schulkonferenz, was bereits zu einer breiten Akzeptanz des Rauchens in NRW-Schulen führte. Nach dem neuen Gesetz entscheidet jetzt nur noch die Schulkonferenz über Ausnahmen zur Raucherlaubnis. Auch ist das bisher notwendige Einverständnis der Erziehungsberechtigten sogar entfallen. Die Raucherlaubnis wurde also nur auf eine breitere Basis gestellt.
Das schlechte Beispiel von NRW macht deutlich, dass nur gesetzlich verankerte Vorgaben für rauchfreie Schulen ohne Ausnahmemöglichkeiten sinnvoll sind.
Quelle:
Pötschke-Langer M (2005): Rauchfreie Schulen - Bedeutung und Umsetzung. pdf
Informationsdienst zur Suchtprävention; 17: 13-24
Dr. med. Martina Pötschke-Langer
Deutsches Krebsforschungszentrum
Stabsstelle Krebsprävention
WHO-Kollaborationszentrum für Tabakkontrolle
Im Neuenheimer Feld 280
D-69120 Heidelberg
Telefon: +49-(0)6221-42-3010
Telefax: +49-(0)6221-42-3020
eMail: who-cc@dkfz.de
www.tabakkontrolle.de
Siehe dazu:
10.03.2007 - Absolutes Rauchverbot an Schulen in NRW sofort - und ohne Ausnahmen!
04.03.2007 - Rauchfrei in allen städtischen Gebäuden!
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