Kölner Stadt-Anzeiger/ Leverkusener Anzeiger vom 15.04.2009 » Zurück


Leverkusen

Einzelhandel
Ein Gegengewicht zur Rathaus-Galerie
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Von Thomas Käding

Die erste Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) gründet sich in Wiesdorf. Ihre Ziele sind der Werterhalt der Immobilien und die Steigerung der innerstädtischen Umsätze.

Wiesdorf - Es war eine schwere Geburt. Im März 2007 stellte der damalige Bauminister Oliver Wittke im Agam-Saal des Forums ein Konstrukt vor, das er sich aus dem angelsächsischen Raum abgeguckt hatte und dringend zur Nachahmung empfahl: die Immobilien- und Standortgemeinschaft, kurz ISG. Wirtschaftsförderer Wolfgang Mues erlag damals ebenfalls dem Charme der Konstruktion: In einer ISG schließen sich Geschäftsleute und Immobilienbesitzer eines Innenstadtbereichs zusammen, um ihr Quartier aufzuwerten. Das geschieht mindestens zum Teil aus eigenen Mitteln.

"Begeistert"
In Wiesdorf wurde für die ISG-Idee auch deshalb geworben, weil dem Neubau der "Rathaus-Galerie" etwas entgegengesetzt werden muss. Nun ist auf der Großbaustelle fast Richtfest - und die ISG wurde soeben gegründet, was den Wirtschaftsförderer und Baudezernent Mues schlicht "begeistert". Dabei bedurfte es eines Tricks, um die ISG überhaupt aus der Taufe zu heben: Die Werbegemeinschaft City übernimmt jetzt zusätzlich die Aufgaben einer Immobilien- und Standortgemeinschaft. Was dazu führt, dass die Initiative nicht kleinräumig arbeiten wird, sondern die ganze Leverkusener City beackern muss.

Begleitet und unterstützt wird die Einheit von der Wirtschaftsförderung Leverkusen (WFL). Ziele der finanziell vom Land geförderten City-ISG sind Werterhalt der Immobilien und Steigerung der innerstädtischen Umsätze. Immobilien- und Standortgemeinschaften seien ein erprobtes Instrument zur Stärkung innerstädtischer Geschäftsbereiche, erklären die Wirtschaftsförderer. "Und wir sind jetzt ganz vorn dabei", betonte Mues am Dienstag.

Dass sich der Wirtschaftsförderer so ins Zeug legt, liegt auch am Engagement seines Hauses: Die drei ISG-Informationstreffen wurden von der WFL organisiert. Und der Arbeitskreis, in dem die Vereinsgründung vorbereitet wurde, zählt ebenfalls zur Wirtschaftsförderung.

"Wir müssen nun endlich loslegen. Ideen für Maßnahmen wurden bereits viele im Workshop erarbeitet. Jetzt muss das organisatorische Gerüst festgezurrt und durchgestartet werden. Das neue ECE-Center wartet nicht auf den Rest von uns", habe man immer wieder gehört, berichtet WFL-Sprecherin Melanie Schmitz. Weil es dennoch nicht gelungen sei, genügend Personen für den Vereinsvorstand zu gewinnen, wurde die Hilfskonstruktion unter dem Dach der City-Werbegemeinschaft ersonnen. Deren Funktion beschränkte sich bisher auf die Organisation von Werbung und Veranstaltungen. Außerdem ist sie - mal mehr, mal weniger - Sprachrohr der Händler gegenüber der Stadtverwaltung.

Nun kommen die Aufgaben der ISG auf den Vorstand unter Frank Schönberger hinzu. Damit in diesem Bereich möglichst viel läuft, sollen vor allem mehr Besitzer von Geschäftshäusern als Mitglieder geworben werden. Ihre Ideen sind sehr willkommen. Am Dienstag, 28. April, ist Gelegenheit, sich einzubringen: Um 18 Uhr beginnt im Schulungsraum des Kaufhof das erste Treffen der City-ISG.

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Hoffen auf Landesgeld


Die gesamte City wurde von der Bauverwaltung zum Sanierungsgebiet erklärt. Nur durch diesen Verwaltungsakt sei gewährleistet, dass Landesgeld in die Verschönerung der Wiesdorfer Innenstadt fließt, erklärte Baudezernent und Wirtschaftsförderer Wolfgang Mues. Wenn die Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) Ideen entwickle, beteilige sich Düsseldorf typischerweise mit 60 Prozent der Investitionssumme. 20 Prozent müsse die ISG aus ihren Beiträgen beisteuern, die restlichen 20 Prozent sollen aus städtischen Töpfen kommen, wobei Mues zunächst an die Wirtschaftsförderung Leverkusen (WFL) denkt. Förderungsfähig seien aber nicht nur Umbauten: Auch die Entwicklung eines Konzepts, mit dem Attraktivität - und Umsatz - gesteigert werden könnten, werde mit öffentlichen Mitteln unterstützt. (tk)

Kommentar
Seltsam konstruiert


Von Thomas Käding

Na endlich, die Wunderwaffe steht auf der Rampe: Nach „nur“ eineinhalb Jahren hat sich in Wiesdorf eine Immobilien- und Standortgemeinschaft gegründet. Und dass es die ISG überhaupt endlich gibt, war noch dazu nur mit einem Trick hinzubekommen: Die Werbegemeinschaft City Leverkusen wurde zu einer ISG gemacht. Obwohl der Kaufleute-Verein eigentlich ganz andere Aufgaben hat. Wer sich an die Zeit erinnert, in der ein solcher Zusammenschluss in Leverkusen populär gemacht werden sollte, muss an die Aufregungen des Frühjahrs 2007 denken: Der Beschluss, dem Giganten ECE einen zentralen Teil der Innenstadt zum Fraß vorzuwerfen, trieb die Einzelhändler auf die Barrikaden. Vor dieser Kulisse war es ziemlich schlau von Wirtschaftsförderer Wolfgang Mues, mit dem Projekt einer Immobilien- und Standortgemeinschaft Profil zu zeigen.

Merkwürdig nur, dass die Aufregung in der Wiesdorfer Händlerschaft offenbar keinerlei Mitmach-Energie freigesetzt hat. Wie sonst ist es zu erklären, dass sich niemand engagieren wollte? Natürlich, die Arbeit in einem Zusammenschluss von Immobilienbesitzern und ihren gewerblichen Mietern ist überaus mühsam. Große Würfe, die einem Quartier tatsächlich mehr Flair und messbar mehr Kunden bringen, sind schwer zu verwirklichen.

Dennoch zeigen Beispiele aus anderen Ländern, dass die Idee mehr ist als eine Kopfgeburt, die in der Praxis nichts bringt. Ob es aber etwas bringt, aus schierer Not der Werbegemeinschaft eine Immobilien- und Standortgemeinschaft unterzujubeln, die sich jetzt um nichts weniger kümmern soll als die ganze City, muss sich noch erweisen. Es gibt jedenfalls bessere Voraussetzungen.





Hintergrundinformationen:
•  "Business Improvement Districts" - Standortgemeinschaften in Leverkusen
•  12.09.2006
Ratsantrag der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Leverkusen:

Leverkusen - innerstädtische Entwicklungen über "Business Improvement Districts" (BIDs!
Das Land NRW wird aufgefordert, dafür die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.

1.
Der Rat der Stadt Leverkusen fordert die Landesregierung NRW auf, möglichst bald die gesetzlichen Grundlagen für die Einrichtung von Business Improvement Districts, BIDs, zu schaffen, wie dies bereits erfolgreich in Hamburg und Hessen geschehen ist.
2.
Die Verwaltung wird aufgefordert,
a.
sich umgehend beim Ministerium für Bauen und Verkehr NRW zu bewerben, um zumindest am NRW-Förderprogramm "Immobilien- und Standortgemeinschaften" (ISG) teilzunehmen, wie dies bereits 19 Kommunen vormachen.
b.
unabhängig von dieser Bewerbung bis zur Schaffung der rechtlichen Rahmenbedingungen in NRW bereits jetzt vorsorglich BID-Modelle inhaltlich bei weiteren Überlegungen zur Revitalisierung der Leverkusener City und der Stadtteile Opladen und Schlebusch mit einzubeziehen.

Dieser Antrag wurde so in der Sitzung des Rates der Stadt Leverkusen am 25.09.2006 einstimmig beschlossen.
•  Vergl. zu BIDs bzw. ISG: Frage 9 + Antwort
Pressegespräch CDU-Fraktion, 14.02.2005
- "Wirtschaftsförderung Leverkusen GmbH (WFL) wohin?"
[pdf]
- 9 Antworten auf 9 Fragen im Pressegespräch


Bernhard Marewski, Ratsherr